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Heuking Kühn Lüer Wojtek


Update IP, Media & Technology

Nr. 27 | 24.09.2020


Facebook muss Eltern den vollständigen Zugang zum Facebook-Account ihrer verstorbenen Tochter gewähren
Dr. Ruben A. Hofmann


Nachdem sich der BGH bereits 2018 mit dem Thema „digitaler Nachlass“ und der Vererbbarkeit des Zugangs zu einem sozialen Netzwerk befasst hat, entschied er jüngst ein weiteres Mal zum selben Fall. Der BGH beschloss, dass die Eltern eines 2012 verstorbenen Mädchens einen Anspruch auf den vollständigen Zugriff auf das Facebook-Konto ihrer verstorbenen Tochter haben (BGH, Beschluss vom 27.08.2020 – Az. III ZB 30/20).

DER FALL

Aus bisher ungeklärten Gründen verstarb im Jahr 2012 die 15-jährige Tochter der Kläger. Die Jugendliche war bis zu ihrem Tod aktive Nutzerin des sozialen Netzwerks Facebook. Nach ihrem Tod versetzte Facebook das Profil in den sogenannten „Gedenkzustand“. Bei diesem wird der Zugriff auf das Konto eines Nutzers gesperrt, wobei Name und Profilfoto dabei sichtbar bleiben und lediglich die Kontakte eines Nutzers können Nachrichten auf dessen Profil hinterlassen. Um die Todesumstände ihrer Tochter besser nachvollziehen zu können, insbesondere um die Frage zu klären ob es sich bei dem Tod um einen Unfall oder Suizid handelte, wollten die Eltern auch auf das gesperrte Facebook-Konto ihrer Tochter zugreifen. Die Eltern, die gesetzlichen Erben des Mädchens, konnten jedoch trotz Vorliegen des Passwortes nicht mehr auf das Profil ihrer Tochter zugreifen, da Facebook bei Aktivierung des Gedenkzustandes jegliche Zugriffsmöglichkeit auf das entsprechende Nutzerkonto sperrt. Deswegen gingen die Eltern gerichtlich gegen Facebook vor und begehrten Zugang zum gesperrten Konto ihrer Tochter.

Bereits in einer Entscheidung aus dem Jahr 2018 (BGH, Urteil vom 12.07.2018 – Az. III ZR 183/17) urteilte der BGH, dass der gesamte digitale Nachlass, und somit auch der zwischen Facebook und dem Mädchen geschlossene Nutzungsvertrag, im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nach § 1922 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auf die Eltern als Erben übergegangen sei. Der in den Facebook-AGB geregelte Gedenkzustand, der eine solche Vererblichkeit grundsätzlich ausschließt, sei unwirksam und stehe einer Vererblichkeit somit nicht im Wege. Ferner entschied der BGH, dass der Nutzungsvertrag auch nicht höchstpersönlicher Natur sei und dass die digitalen Inhalte des Facebook-Profils mit Tagebüchern und persönlichen Briefen vergleichbar sei. Da diese analogen Dokumente nach §§ 2047 Abs. 2, 2373 S. 2 BGB vererbt werden würden, müsse auch der Zugang zu den digitalen Inhalten eines Facebook-Kontos entsprechend vererbt werden können. Auch das in § 88 Abs. 3 Telekommunikationsgesetz (TMK) geregelte Fernmeldegeheimnis stehe einer Vererblichkeit des Facebook-Profils nicht entgegen.

Folglich hat Facebook den Eltern einen USB-Stick mit einer 14.000 Seiten langen PDF-Datei überreicht, die eine Kopie der gesamten Daten aus dem Konto der verstorbenen Tochter enthielt. Facebook war der Auffassung hiermit dem Urteil des BGH nachgekommen zu sein. Die Eltern hingegen begehrten eine vollständige Zugriffsmöglichkeit auf das Profil, um dort mögliche Hinweise zur Todesursache ihrer Tochter zu finden.

DER BESCHLUSS

Mit seiner Entscheidung vom 27.08.2020 (BGH, Beschluss vom 27.08.2020 – Az. III ZB 30/20) beschloss der BGH, dass die Übergabe des USB-Sticks mit der genannten Datei nicht ausreichend sei und dass den Eltern ein vollständiger Zugang zum Facebook-Konto ihrer verstorbenen Tochter gewährt werden müsse. Der BGH stellte klar, dass die Eltern als gesetzliche Erben des Facebook-Profils dieses zwar nicht mehr aktiv betreiben dürften. Allerdings müsse den Eltern ein solcher Zugang zum Konto gewährt werden, den auch die verstorbene Tochter hatte. Die bloße Überlassung eines umfangreichen PDF-Dokuments entspreche nicht dieser Zugriffsmöglichkeit und erfülle deswegen nicht die Verpflichtung, die Facebook bereits aus dem Urteil vom 12.07.2018 treffe.

Bei seiner Begründung stützt sich der BGH insbesondere auf § 1922 Abs. 1 BGB. Der mit Facebook geschlossene Nutzungsvertrag sei mit sämtlichen Rechten und Pflichten im Wege der Universalsukzession auf die Eltern des Mädchens übergegangen. Daraus folge, dass den Eltern dieselben Erfüllungsansprüche gegen Facebook zustünden, wie ehemals ihrer Tochter. Der Begriff des Zugangs sei dahingehend wörtlich auszulegen und beinhalte die tatsächliche Zugriffsmöglichkeit der Eltern auf das Konto ihrer Tochter.

Autor


Dr. Ruben A. Hofmann ist Rechtsanwalt und Partner bei Heuking Kühn Lüer Wojtek und Mitglied der Praxisgruppe IP, Media & Technology.

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