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Heuking Kühn Lüer Wojtek


Update IP, Media & Technology

Nr. 32 | 05.02.2021


Der neue Gesetzesentwurf zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht
Dominik Eickemeier


Das Bundeskabinett hat am 20.12.2021 den vom Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz vorgelegten „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht“ beschlossen. Der Entwurf zielt auf einen verbesserten Schutz von Verbrauchern vor unlauteren geschäftlichen Handlungen im Rahmen des Online-Handels sowie bei sog. Kaffeefahrten und soll darüber hinaus noch für mehr Rechtssicherheit bei kommerzieller Kommunikation in sozialen Medien sorgen.

I.
Hintergrund und Zweck


Nach einer umfassenden Eignungsprüfung des Verbraucherrechts in der Europäischen Union wurde festgestellt, dass mehrere Rechtsakte zum Schutze von Verbraucherinteressen einer Modernisierung bedürfen und zudem die Möglichkeiten der Durchsetzung dieser Rechte verbessert werden müssen. Ziel der zu diesem Zwecke erlassenen Richtlinie (RL [EU] 2019/2161) ist eine Überarbeitung des nationalen Verbraucherschutzes. Konkret sind diverse Änderungen des Wettbewerbs- sowie Gewerberechts vorgesehen, die insbesondere eine Verbesserung der Transparenz im Online-Handel, eine effektivere Sanktionierung grenzüberschreitender Verstöße gegen verbraucherschützende Vorschriften und den Zugang zu angemessenen und wirksamen Rechtsbehelfen sowie Regelungen zur Bekämpfung missbräuchlicher Praktiken im Zusammenhang mit sog. Kaffeefahrten vorsehen. Darüber hinaus ist dem Gesetzgeber noch eine Reihe divergierender Entscheidungen deutscher Gerichte aus jüngerer Zeit zu dem sog. Influencer-Marketing aufgefallen. Aufgrund dieser Divergenzen bedurfte es noch einer gesetzgeberischen Klarstellung, in welchen Fällen Inhalte in sozialen Medien einem kennzeichnungspflichtigen kommerziellen Zweck dienen.

II.
Mehr Transparenz auf Online-Marktplätzen


Bei Angeboten von Waren und Dienstleistungen auf Online-Markplätzen bzw. Verkaufsplattformen, (wie beispielsweise Amazon) ist Verbrauchern nicht immer ersichtlich, ob es sich bei dem jeweiligen Anbieter um einen Unternehmer oder eine Privatperson handelt. Daher sollen die Betreiber der Plattformen künftig verpflichtet werden, darüber zu informieren, ob es sich tatsächlich um einen Unternehmer handelt (§ 5b Abs. 1 Nr. 6 UWG-E).

Weiter wurde erkannt, dass hohe Positionen im Ranking bzw. eine hervorgehobene Platzierung von Angeboten in den Ergebnissen von Online-Suchanfragen eine große Rolle bei geschäftlichen Entscheidungen der Verbraucher spielen. Der Entwurf sieht daher vor, dass die Betreiber über die Hauptparameter des Rankings und die Gewichtung dieser Parameter untereinander informieren müssen (§ 5b Abs. 2 S. 1 UWG-E). Dazu sollen diese Rankings auch ausdrücklich nicht mehr durch versteckte Werbung oder Zahlungen beeinflussbar sein dürfen (Nr. 11a des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG). Im Übrigen sind entsprechende Rankings zwar auch bei Online-Suchmaschinen (wie beispielsweise Google) von großer Relevanz für Verbraucherentscheidungen, jedoch werden von dem gegenwärtigen Entwurf ausdrücklich nur die Betreiber von Online-Markplätzen erfasst. Hintergrund ist, dass bereits die sog. Platform-to-Business-Verordnung (Art. 5 Abs. 2 VO [EU] 2019/1150) eine in den Mitgliedstaaten unmittelbar geltende Pflicht der Betreiber von Online-Suchmaschinen zur öffentlichen Information über die Hauptparameter für die Festlegung des Rankings und deren relativer Gewichtung vorsieht.

Darüber hinaus spielen noch Bewertungen und Empfehlungen zu Waren und Dienstleistungen von anderen Verbrauchern eine große Rolle bei geschäftlichen Entscheidungen von Verbrauchern auf Online-Marktplätzen. Da diese leicht zu fälschen sind, soll zur Vermeidung einer Irreführung über die Authentizität entsprechender Bewertungen künftig darüber informiert werden müssen, ob und inwiefern sichergestellt wird, dass die Bewertungen auch tatsächlich von Verbrauchern stammen (§ 5b Abs. 3 UWG-E). Damit die Betreiber dieser Verpflichtung auch nachkommen, sollen besondere Unlauterkeitstatbestände geschaffen werden (Nr. 23b, 23c des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG). Nach diesen Tatbeständen darf künftig nicht mehr behauptet werden, dass die Bewertungen von Verbrauchern stammen, wenn der jeweilige Unternehmer keine angemessenen und verhältnismäßigen Schritte unternommen hat, um die Authentizität der Bewertungen zu überprüfen. Zudem wird klargestellt, dass die Unternehmen nicht eigens gefälschte Bewertungen abgeben oder gar andere zu diesem Zwecke beauftragen dürfen.

III.
Verbot der Vermarktung unterschiedlicher Waren als identisch


In der Union vermarktete Waren können trotz einer identischen Kennzeichnung eine unterschiedliche Beschaffenheit in den jeweiligen Mitgliedstaaten aufweisen. Zu denken wäre – unter Verwendung einer einheitlichen Verpackung – beispielsweise an Fischstäbchen, die jeweils einen anderen Fischgehalt aufweisen oder Kekse, die Palmöl anstatt Butter enthalten.

Um entsprechenden Unsicherheiten entgegenzuwirken, sieht der Entwurf einen neuen Unlauterkeitstatbestand vor, der die Vermarkung einer Ware mit einer in einem anderen Mitgliedstaat auf dem Markt bereitgestellten Ware als identisch für grundsätzlich unzulässig erklärt, wenn sich die Zusammensetzung und Merkmale des jeweiligen Produkts wesentlich unterscheiden (§ 5 Abs. 3 Nr. 2 UWG-E).

Dies gilt zumindest soweit die Abweichungen nicht durch objektive und legitime Faktoren zu rechtfertigen sind. Solche Unterschiede müssen, wenn sie für die Kaufentscheidung von Verbraucherinnen und Verbrauchern wesentlich sind, dann lediglich klar erkennbar gemacht werden.

IV.
Individueller Schadenersatzanspruch für Opfer unlauterer Geschäfte


Nach europäischen Vorgaben soll Verbrauchern, die durch unlautere Geschäftspraktiken geschädigt wurden, angemessener und wirksamer Rechtsschutz zukommen. Erkannt wurde, dass das bestehende Recht derzeit zwar einen weitreichenden, aber nicht lückenlosen Schutz bereitstellt. Dies gilt beispielsweise mit Blick auf Schäden, die durch fahrlässige irreführende geschäftliche Handlungen entstanden sind, wobei zu dem jeweiligen Schädiger kein Vertragsverhältnis bestanden hat. Um entsprechende Rechtslücken zu schließen, sieht der Gesetzesentwurf nun einen weitergehenden individuellen Schadensersatzanspruch vor. Dieser soll zugunsten von Verbrauchern entstehen, die durch eine vorsätzliche oder fahrlässige unlautere geschäftliche Handlung zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst worden sind, die sie anderenfalls nicht getroffen hätten, und auf diesem Wege geschädigt worden sind (§ 9 Abs. 2 UWG-E). Daneben sollen sonstige etwaig bestehende Rechte und Ansprüche der Verbraucher bestehen bleiben.

V.
Bußgelder auch bei grenzüberschreitenden Verstößen


Weiter soll im Wege des Entwurfs eine einheitlichere und wirksamere Sanktionierung von Verstößen gegen Verbraucherrechte möglich werden, die ihre Wirkung in der gesamten Europäischen Union entfaltet.

Für eine effektivere und wirksamere Ahndung solch grenzübergreifender Verstöße sollen die zuständigen europäischen Verbraucherschutzbehörden in koordinierter Zusammenarbeit Geldbußen verhängen können. Dazu sieht ein neu geplanter Bußgeldtatbestand (§ 19 UWG-E) vor, dass Sanktionen bei Unternehmen mit einem Jahresumsatz in Höhe von mehr als 1 250 000 € bis zu einer Höhe von 4 Prozent des Jahresumsatzes festgelegt werden können.

VI.
Strengere Regelungen für sog. Kaffeefahrten


Weiter sieht der Entwurf diverse Änderungen in der Gewerbeordnung (GewO) vor, die Vorschriften über Wanderlager (§ 56a GewO) betreffen. Diese Vorschriften haben insbesondere sog. Kaffeefahrten zum Gegenstand, bei denen zum Zwecke des Verkaufs von Waren Tagesreisen organisiert werden, an denen vornehmlich Senioren als Verbraucher teilnehmen. Aufgrund des teils hohen Alters der Teilnehmer wird befürchtet, dass diese leicht Opfer von irreführenden, unlauteren Handlungen auf solchen Fahrten werden können.

Um die an Kaffeefahrten teilnehmenden Verbraucher vor Missbrauch zu schützen, sollen nun die bisher bestehenden Anzeigepflichten für die Veranstalter verschärft werden, indem diese beispielsweise verpflichtet werden, der zuständigen Behörde zur Kontaktaufnahme auch eine Anschrift sowie Telefonnummer und E-Mail-Adresse mitzuteilen. Für den Fall, dass eine Kaffeefahrt im Ausland stattfindet, muss die Veranstaltung künftig bei der Behörde angezeigt werden, die für den Ort der gewerblichen Niederlassung des Veranstalters zuständig ist. Zudem sollen die Veranstalter dann bei der öffentlichen Bewerbung solcher Veranstaltungen den Verbrauchern unter anderem auch ihre Anschrift, Telefonnummer und E-Mail-Adresse mitteilen und sie darüber informieren, unter welchen Bedingungen bei in diesem Rahmen geschlossenen Verträgen ein Widerrufsrecht zusteht. Dazu soll vorsorglich der Vertrieb von Nahrungsergänzungsmitteln und Medizinprodukten verboten werden. Hintergrund ist, dass die Sorge um die eigene Gesundheit nicht ausgenutzt werden solle. Schließlich sollen etwaige Verstöße mit einer Geldbuße bewehrt werden, wobei der Bußgeldrahmen von bisher eintausend auf zehntausend Euro erhöht werden soll.

VII.
Kennzeichnung kommerzieller Kommunikation bei Influencern und Bloggern


Besondere Bedeutung haben die Änderungen für neuere Formen der Kommunikation und des Marketings im Internet wie das sog. Influencer-Marketing. Kritisiert wird, dass in sozialen Medien oder Blogs, auf denen diese Influencer ihrer Tätigkeit nachgehen, indem sie beispielsweise ihr Alltagsleben präsentieren und dabei im Wege von Verlinkungen Produkte vorstellen, die Abgrenzung von kommerzieller Kommunikation und privater Meinungsäußerung häufig intransparent ist.

Die bisherige Rechtsprechung zu unlauteren Handlungen von solchen Influencern ist uneinheitlich. Beispielsweise hatte das Landgericht Berlin ursprünglich entschieden, dass Verlinkungen zu Produkten grundsätzlich auch dann als Werbung gekennzeichnet werden müssen, wenn das jeweilige Produkt nachweislich selbst gekauft wurde und die Influencerin von der jeweiligen Marke auch keine Gegenleistung erhalten habe. Denn für eine geschäftliche Handlung reiche es aus, wenn die Influencerin über mehrere zehntausend „Follower“ verfüge, weshalb eine besondere Aufmerksamkeit erregt werde und daher Geschäftsbeziehungen mit dem verlinkten Unternehmen in der Folge erwartet werden könnten. Dagegen entschied das Landgericht München in einem jüngeren Urteil, dass entsprechende Beiträge, auf denen Produkte gekennzeichnet und mit entsprechenden Auftritten des Herstellers im Internet verlinkt werden, ohne diese zugleich als Werbung zu kennzeichnen, keine geschäftliche Handlung seien, wenn die Gewerblichkeit des Auftritts für jedermann offensichtlich ist. Kriterien waren insbesondere ein öffentliches, verifiziertes und mit einem blauen Haken versehenes Profil mitsamt einer Vielzahl von Followern (ca. 500.000). Bei solch einer Reichweite werde hinreichend deutlich, dass die Beträge ausschließlich gewerblichen Zwecken dienten.

Um dieser Rechtsunsicherheit zu begegnen, soll die Definition einer geschäftlichen Handlung (§ 2 Nr. 2 UWG-E) nun dahingehend ergänzt werden, dass diese nicht mehr nur in einem objektiven, sondern auch in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einer Absatzförderung stehen muss. Zudem soll klargestellt werden, dass bei einer Handlung zugunsten eines fremden Unternehmers ausdrücklich kein kommerzieller Zweck anzunehmen sei, wenn hierfür kein Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung versprochen werde (§ 5 Abs. 4 S. 2 UWG-E). Zusammenfassend zielen diese Änderungen insbesondere auf einen sicheren Rechtsrahmen für Handlungen von Influencern, die Waren und Dienstleistungen empfehlen, ohne selbst davon im Wege eines Entgelts oder einer ähnlichen Gegenleistung zu profitieren.

VIII.
Ausblick


Der kürzlich vom Bundeskabinett beschlossene Regierungsentwurf wird nun dem Bundesrat zur Stellungnahme zugeleitet. In einem nächsten Schritt wird die Bundesregierung ihre Gegenäußerung an den Deutschen Bundestag weiterleiten, wo der Entwurf schließlich erneut (in den Ausschüssen) beraten wird. Änderungen sind damit noch möglich.

Autor


Dominik Eickemeier ist Rechtsanwalt und Partner bei Heuking Kühn Lüer Wojtek und Co-Leiter der Praxisgruppe IP, Media & Technology.

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